Als Kind war ich Stubenhockerin
Jedenfalls nannte meine Mutter mich manchmal so. Ich las gern Märchen, spielte mit Puppen, bastelte, strickte, sah fern, hörte Radio. Natürlich schafften meine Freunde es, mich zum Spielen nach draußen zu locken. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen. Die Natur fing vor der Haustür an und endete am Horizont. Der war weit, denn meine Kindheitslandschaft war das Oderbruch, ein flacher, von Entwässerungsgräben durchzogener Landstrich, unspektakulär. Bis heute liebe ich diese flachen Landschaften, in denen ich den Blick weit schweifen lassen kann. Und ich liebe das Meer. Das war unser Sommerort und ein Zelt der richtige Platz, um in den Ferien darin zu wohnen.
Als 12jährige begann ich zu schreiben. Ich hatte das Glück, in einem Zirkel schreibender Schüler nicht nur Gleichgesinnte zu finden, sondern auch die Anleitung von Schriftstellern. Sie versuchten, unserem Schreiben Wurzeln zu geben. Wurzeln in der Landschaft, in der wir lebten. Die Jungs schrieben Geschichten übers Angeln, ich Gedichte über den Kirschbaum im Garten meiner Eltern. (Übers Angeln hätte ich auch schreiben können, ich war darin durchaus erfahren.)
Außerdem reisten sie mit uns kreuz und quer durchs Land DDR. Wir lernten Erfurt, Weimar und Rudolstadt kennen und Rügen mit den Kreidefelsen und Hünengräbern. Wir schrieben über das, was wir sahen.
Viel später las ich Fontanes „Wanderungen“ und erkannte: es kommt nicht nur auf das an, was man sieht, sondern auch auf die Geschichte, die sich in einem Landstrich abgespielt hat. Und man muss die Menschen kennen lernen, die Bewohner und Kultivierer der Landschaft.
Als ich etwa 40 war, fragten mich zwei Verlegerinnen, ob ich nicht jemanden wüsste, der einen Reiseführer durch das Oderbruch schreiben könnte. Ich sagte: Ja, ich.
Scheibend erfuhr ich, dass ich das gut konnte: eine Landschaft entdecken, tief in ihre Geschichte eintauchen, die Menschen kennen lernen, die in der Gegenwart bewusst in ihr leben. In den letzten drei Jahren war ich im Schatten von Stadtmauern, auf Radwegen und im Wald, in Museen und Kirchen im Barnim unterwegs.
Im Grunde bin ich schreibend bei dem Thema geblieben, mit dem ich als Kind begonnen habe: die Landschaft. Im Grunde schreibe ich immer noch Gedichte über blühende Kirschbäume und Kreidefelsen, Kurzgeschichten über Tiere in der Stadt und hin und wieder einen Reisführer. Ich schreibe und hocke dabei in der Stube.
Diesen Text verdanke ich Silke Bicker, Kollegin im texttreff.de, dem Netzwerk wortstarker Frauen. Sie hat dazu angeregt, über den Wert der Natur in der Selbständigkeit nachzudenken.