SANKT•SPIRITUS

Die Schreibwerkstatt von Carmen Winter

Schreibwerkstatt, Textwerkstatt

Gepostet von am 17. Apr. 2021

Was ist mir wichtig, wenn ich Schreibwerkstätten anleite?

Lernen am Beispiel

Nur selten gebe ich in meinen Werkstätten theoretisches Wissen pur an die Teilnehmerinnen weiter. Ich versuche, so oft wie möglich, an einem ihrer Texte zu erklären, was beim Schreiben wichtig ist, wie ein Text ein besserer Text wird. Da wir alle immer wieder in ähnliche Fallen tappen, lernen alle aus diesen Beispielen: Durcheinander bei den Zeitformen, Textpassagen, die getrost gestrichen werden können, unbegründete Perspektivwechsel, das Belehren des Lesers.

Schreiben lernt man beim Schreiben

Ein anderes Prinzip, dem ich folge ist: Schreiben lernt man beim Schreiben. Deshalb gehört möglichst zu jedem Treffen in den Gruppen das Verfassen eines kurzen Textes, der dann auch gleich vorgelesen wird. Diese frischen Texte sind natürlich unperfekt. Aber das ist kein Problem, weil alle gleich unperfekt sind. Es geht auch gar nicht darum, einen super tollen Text vorlesen zu können. Es geht darum zu schreiben: Das weiße Blatt zu füllen, keine Ausreden gelten zu lassen, den Schreibmuskel zu trainieren. Denn genauso wie Musiker oder Maler üben müssen, müssen Schreibende das auch. Wer regelmäßig schreibt, merkt, dass der Zugriff auf das Lexikon im Kopf sich verbessert, dass dieses Lexikon größer wird und dass man leichter die treffende Formulierung findet. Das Schreiben wird zum Vergnügen.

Die eigene Stimme finden

Ich versuche, es jeder Teilnehmerin zu ermöglichen, ihren eigenen Ton und ihr eigenes Thema zu finden. Das braucht Zeit. Mit Zeit meine ich in dem Fall nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre. Ich versuche zu ermutigen, diesen eigenen Weg zu gehen. Aber auch hier hilft die Gruppe weiter. Wir hören, womit andere sich beschäftigen und merken: Das ist ihr Thema, darüber kann sie besonders gut schreiben. Oder: Gedichte liegen ihr mehr als Geschichten. Und dann gebe ich einen Schreibimpuls in die Runde, der anders ist, mit dem man versuchen muss, das eingefahrene Gleis zu verlassen. So wird der Radius, in dem sich die eigenen Texte bewegen, ein wenig größer. Denn der eigene Weg muss kein schmaler Pfad sein.

Über Texte sprechen

Auch das Sprechen über die Texte wird zum Vergnügen. Wir sagen, was wir gehört haben, was der Text in uns ausgelöst hat. Freuen uns, wenn es anderen ganz ähnlich ging oder staunen, wenn eine andere einen Text ganz anders verstanden hat. Dieses vertraute miteinander reden hat für mich etwas zutiefst friedliches, auch wenn wir uns manchmal ereifern.

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