Fibonacci
In der Werkstatt Text und Musik in Rheinsberg und in der Frankfurter Schreibsommernacht habe ich die Fibonacci-Folge als Schreibimpuls ausprobiert.
Fibonacci war ein Rechenmeister aus Pisa. Er lebte etwa von 1170 bis 1240. Es heißt, dass er berechnen wollte, wie Kaninchen sich vermehren und dabei die faszinierende Zahlenfolge fand, die eng mit dem goldenen Schnitt im Zusammenhang steht.
Die Zahlenfolge 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144 erhält man, indem man immer die beiden letzten Zahlen addiert. Also 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5 und so weiter. Bildlich dargestellt ergibt sich ein Schneckenhaus oder der Samenstand einer Sonnenblume oder die Anordnung der Schuppen auf einem Kiefernzapfen oder…
Aber was fängt man nun in der Literatur mit diesen Zahlen an?
Ich wusste schon, dass Komponisten die Fibonacci-Zahlen für ihre Arbeit genutzt haben und suchte nach Autoren, die mit der Zahlenfolge experimentiert haben. Ich stieß auf die dänische Autorin Inger Christensen (1935-2009) , die in ihrer Lyrik mit den Fibonacci-Zahlen experimentiert hat. Aus ihren Texten holte ich mir Anregungen.
In den beiden Werkstätten haben wir unter anderem Texte geschrieben, in denen die Anzahl der Wörter je Satz mit der Zahlenreihe überein stimmte. Aber es sind auch noch andere Möglichkeiten denkbar. Man kann ein ABC-Darium schreiben und diese Wörter als 1., 2., 3., 5., 8. Wort und so weiter in einen Text einfügen. Man kann einen Text schreiben, in dem die Zahlen als Worte vorkommen, man kann mit den entsprechenden Buchstaben des Alphabetes experimentieren oder ein Gedicht schreiben, dass mit zweimal einer Zeile beginnt, dann mit 2, 3, 5, 8 Zeilen und so weiter fortgesetzt wird.
Hier ein Beispiel in dem ich Sätze mit bis zu 34 Wörtern aufsteigend und dann wieder absteigend geschrieben habe.
Nacht.
Sie.
Ist kurz.
Es wird dunkel.
Das Dunkel dauert nicht lange.
Die Sonne schiebt sich bald über den Horizont.
Licht berührt die Kirchturmspitze, vertreibt die Schatten zwischen den Häuserwänden, fällt ins Grün.
Fällt ins Grün des Stadtparks und spielt mit den Blättern der Bäume und mit den Grashalmen, die nicht wissen, was wird.
Ahnunglos wachsen sie in den Tag, der der längste Tag des Jahres wird und für die Grashalme viel Zeit dabei hat, um zu wachsen, so hoffen die Grashalme im Stadtpark am Morgen im Sonnenschein.
Aber der Tag bringt den Grashalmen nicht das Erhoffte, nicht das Licht und die Zeit, um ein gutes Stück zu wachsen.
Wenn sie Ohren hätten, die Grashalme, könnten sie bald schon hören, was kommt.
Denn es ist laut, es ist ein Traktor.
Ein Traktor mit scharfem Mähwerk.
Er kommt näher.
Er mäht.
Alle.
Ab.